Ein Jahr Corona- wie geht es den Döhrener Gewerbetreibenden?

Interview mit Michael Kellner und Gisela Steinhauer vom Vorstand der Interessengemeinschaft Döhrener Geschäftsleute (IDG)

Herr Kellner, wie geht es Ihren Mitgliedsbetrieben nach einem Jahr Corona- liegen die Nerven blank.

K. Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben viele Handwerksbetriebe unter den Mitgliedern. Die können unter Einhaltung der Hygienevorschriften arbeiten, wenn die Kunden sie denn haben wollen. Die Blumengeschäfte dagegen hat es sehr unvermittelt getroffen, sowohl beim Schließen, als auch beim Wiederöffnen. Da vergessen die Macher der diversen Verfügungen oft, dass es bei vielen Gewerben einen längeren Vorlauf gibt, bis wieder geöffnet werden kann. Das betrifft auch die Restaurants. Hier haben sich einige mit Abholservice beholfen, um wenigstes die Grundkosten decken zu können. Ganz hart getroffen hat es natürlich alle, die überhaupt nicht arbeiten durften: Friseure, Fußpfleger und Kosmetikerinnen beispielsweise.

Frau Steinhauer, davon können Sie ja sicher ein Lied singen.

S. Allerdings, mein Laden ist seit 01.11.2020 geschlossen, obwohl wir alle Hygienevorschriften erfüllen und dafür auch viel Geld in die Hand genommen haben. Ich gönne es den Friseuren sehr, dass sie wieder aufmachen durften, verstehe jedoch nicht, warum das nicht auf das Kosmetikgewerbe zutraf. Ich habe sogar an einer angemeldeten Demonstration der Kosmetik Innung Hannover unter Beachtung aller erforderlichen hygienischen Auflagen teilgenommen, um auf diese Missverhältnisse aufmerksam zu machen- übrigens zum ersten Mal in meinem Leben.

Nun dürften Sie mittlerweile wieder öffnen, wenn Ihre Kundinnen und Sie einen negativen Test vorweisen können- hilfreich oder an der Realität vorbei?

S. Solange diese Tests nicht verfügbar und zu vernünftigen Preisen überall zu kaufen sind, ist dies weder hilfreich noch realistisch.

Grundlage für Öffnen oder Schließen sind die jeweiligen Allgemeinverfügungen des Landes, die sich in immer kürzeren Abständen ständig zu wandeln scheinen- blicken Sie noch durch und fühlen Sie sich gut informiert?

K. Ich habe Gott sei Dank einen sehr pfiffigen und motivierten Geschäftsführer in meiner Bauinnung, der uns zeitnah die jeweils gültigen Texte hat zukommen lassen. Er hat auch gleich die relevanten Stellen gemarkert. So konnte ich mit seiner Genehmigung die jeweils gültigen Verfügungen gleich an unsere Mitgliedsbetriebe weiterleiten. Was die Verständlichkeit betrifft ist da sicher noch Luft nach oben. Etwas mehr Information von Seiten der Stadt wäre auch schön gewesen. Froh bin ich aber, dass sich Ministerpräsident Weil gerade in einer Zoom-Konferenz mit den lokalen Standortgemeinschaften unsere diesbezüglichen Sorgen angehört und versprochen hat, Einiges davon mitzunehmen.

S. Ich bin sehr froh, über den Weg der IDG zumindest zeitnah informiert zu werden. Die meist sehr kurzfristige offizielle Veröffentlichung der Verordnung des Landes Niedersachsen stellt uns Kosmetikbetriebe vor große organisatorische Herausforderungen.

Stichwort Corona Hilfen- wie lief es da? Einfach zu beantragen und schnell ausgezahlt? Bazooka oder Schneckenpost?

K. Laut Auskunft einiger unserer Mitgliedsbetriebe lief es während des ersten Lockdowns ganz gut und auch schnell, im zweiten Lockdown dafür gar nicht gut.

Da konnte man erst sehr spät die Hilfen überhaupt beantragen und geflossen sind sie wohl immer noch nicht überall. Das ist besonders ärgerlich, weil die kleinen Betriebe ja nicht über Rücklagen verfügen, um so etwas mal eben aufzufangen. Wir sind ja nicht die TUI oder die Lufthansa. Wären wir sie, dann hätten aber vermutlich auch alle Unternehmen schon ihr Geld. Ganz katastrophal ist natürlich der momentane Auszahlungsstopp.

S.: Man sollte auch einmal bedenken, dass gerade die kleinen Betriebe hier vor Ort für Praktikums- und Ausbildungsplätze sorgen und wir auch hier unsere Steuern zahlen.

K. Ja, das vergessen ja viele, nicht nur in der Politik: Die meisten der verfügbaren Ausbildungsplätze werden von kleinen und mittelständischen Betrieben geschaffen. Wenn man diese Betriebe kaputtgehen lässt und nur die großen mit der Bazooka unterstützt dann hat das Folgen.

S. Ganz abgesehen davon, dass nicht nur die Innenstädte dann veröden, sondern auch die vielgeliebten kleinen Kieze. Da geht ganz viel Lebensqualität verloren.

Dafür ist der Internethandel natürlich auch keine Alternative. Sind Sie trotzdem auch auf das Internet umgestiegen?

K. Für uns im Handwerk ist das ja meist keine Alternative, außer dass wir natürlich versuchen, unsere Internetseiten möglichst attraktiv zu halten, und darüber auch Teile unserer Kunden gewinnen. Viel mehr läuft aber zumindest bei uns immer noch durch Mundpropaganda. Einige Restaurants haben natürlich versucht, über das Internet Bestellungen anzunehmen und dann auszuliefern, aber das ist nicht für jeden eine Alternative. Besonders, wenn er auf die teuren Lieferdienste zurückgreifen muss. Was die kleinen Händler betrifft, so können sie mit den Preisen von Amazon oder anderen ja gar nicht konkurrieren, selbst wenn sie sich einen teuren Internetshop anschaffen.

S. Das kann ich nur bestätigen. Da werden teilweise Preise aufgerufen, die unter meinen Einkaufspreisen liegen. Keine Ahnung, wie das möglich ist. Wichtig bei uns ist aber ja auch gerade die individuelle Beratung. Die kann das Internet doch nicht leisten.

Wie sehen mögliche Lösungen aus?

K. Kleine lokale kostenfreie Onlineplattformen wie: „Support your local“, aber auch „Wir-liefern.org“ und die Initiative der Wirtschaftsförderung mit dem lokalen Online- Modellprojekt „Hannovernordost.de“ und auch dann in Zukunft mit „Hannoversuedwest.de“ – da geht noch was.

S. Einfache, möglichst kostenfreie Tests für alle und Impfen, Impfen, Impfen. In Tirol bekommt jeder Bürger zweimal in der Woche einen kostenlosen Test in der Apotheke und kann dann 48 Stunden sich frei bewegen- wann geht so etwas endlich auch bei uns?

Wie sehen Sie die Zukunftsaussichten?

Lokale Online Plattformen, Testen und Impfen—und nicht die Hoffnung verlieren, dass unsere Kunden uns die Treue halten, bis wir denn alle wieder öffnen dürfen.

Interview: A.K. Fotos: 1x A. Kellner, 1x privat. Das Interview wurde am 11.03.2021 geführt.